Die Versorgung, also das "Management" chronischer Wunden, ist ein häufiges Problem in der hausärztlichen Praxis. Das Spektrum reicht von Bagatellverletzungen, die nicht heilen wollen, bis hin zu hochspeziellen Krankheitsbildern wie dem Pyoderma gangränosum oder malignen Hauttumoren. Im folgenden Artikel will ich Ihnen praktische Tipps und Vorgehensweisen an die Hand geben, mit denen Sie in der Lage sein werden, die überwiegende Mehrzahl der auftretenden Wunden zu versorgen, und gewisse Regeln, an denen man erkennen kann, wann das Einbeziehen eines Spezialisten sinnvoll ist.

Eine Wunde, die nach 8 Wochen nicht abgeheilt ist, wird als chronisch bezeichnet. Darüber hinaus sind einige Wunden von Beginn an als chronisch anzusehen, weil ihnen eine Grunderkrankung vorausgeht, die ebenfalls behandelt werden muss. Bei Patient:innen mit einer chronischen Wunde sollte die erste Frage sein, warum die Wunde "chronisch" geworden ist. Will ich, dass die Wunde heilt, muss ich die Ursache bekämpfen.

Ursachen der fehlenden Heilung

Die häufigsten Ursachen für Wundheilungsstörung, die in der Wunde liegen, sind eine kritische Besiedelung mit Bakterien, eine handfeste Infektion oder Nekrosen. Häufige Gründe für eine fehlende Heilung außerhalb der Wunde sind das Ödem, die chronisch-venöse Insuffizienz (CVI) und die arterielle Verschlusskrankheit (AVK). Seltenere Gründe sind Hauterkrankungen oder Karzinome wie das Plattenepithelkarzinom oder das Basalzellkarzinom.

Basismaßnahmen

Bevor ich auf spezielle Vorgehensweisen eingehen will, möchte ich die Basismaßnahmen vorstellen, die immer erfolgen sollten, wenn sich die Patient:in mit der chronischen Wunde das erste Mal in der Praxis vorstellt.

Zunächst sollte ein Abstrich entnommen und die Abklärung möglicher Ursachen eingeleitet werden. Vereinfacht gesagt gilt: Wunde innen: V. a. CVI. Wunde außen: V. a. AVK. Schmerzlose Wunde Fuß: V. a. Diabetes mellitus. Komische Wunde: V. a. dermatologische Erkrankung.

Es hilft der Patient:in nicht, nur einen Schaumverband zu verschreiben. Es dauert durchschnittlich 3,5 Jahre, bis eine Patient:in mit einer chronischen Wunde fachärztlich abgeklärt wird [1, 2], das ist zu lang. Natürlich gehört zu den Basismaßnahmen auch dazu, das akute Leid der Patient:in zu lindern. Bei den chronischen Wunden steht hier die Schmerztherapie, aber auch das Exsudat/Geruchsmanagement im Vordergrund.

Nach dem Einleiten der Basismaßnahmen sollten Sie sich fragen: "Kann ich und will ich diese Wunde selbst behandeln?" Jeder ärztliche Werdegang ist anders und nicht jeder hat die Ausbildung, die Liebe oder die Mittel, die notwendig sind, chronische Wunden zu betreuen. Aber es gilt: "Löse das Problem oder löse dich von dem Problem."

Wenn Sie sich entscheiden, die Wunde nicht selbst zu versorgen, sollten natürlich trotzdem die Basismaßnahmen durchgeführt werden. Zur Weiterversorgung der Wunde empfiehlt sich dann eine Überweisung zur Dermatologie oder zur Chirurgie. Je nach Wohnort mag auch ein Wundzentrum im Einzugsgebiet liegen, welches die Versorgung übernimmt.

Wenn Sie sich entscheiden, die Wunde selbst zu versorgen, sollten Sie ergänzend zu den Basismaßnahmen eine Fotodokumentation durchführen und einen Behandlungsplan erstellen, um die unmittelbaren Probleme anzugehen. Erst dann geht man in die praktische Umsetzung der Wundversorgung über und es stellen sich weitere Fragen: "Was kann die Ärzt:in oder die MFA leisten?", "Was kann die Patient:in selbst?", "Was kann die Familie?" und schließlich, "Was kann der Pflegedienst?"

Die Versorgung der chronischen Wunde ist zeitaufwendig und wird im EBM nur lächerlich ausreichend vergütet (z. B. EBM 02312, Behandlung eines Ulcus cruris venosum: 6,20 € und Komplexziffer 02310 für 23,88 € ab 3 Kontakten). Man muss also nicht nur das medizinische Vorgehen managen, sondern auch die Versorgung an sich, damit die chronische Wunde nicht ihre Sprechstunde sprengt.

Praktisches Vorgehen

Ist die Grundlage für eine erfolgreiche Weiterbehandlung gelegt, können die unmittelbaren Probleme angegangen werden.

Ursachen der Wundheilungsstörung und deren Behandlung

Neben der CVI, der AVK oder den malignen Tumoren, welche letztendlich operativ und fachärztlich behandelt werden, gibt es viele Ursachen der Wundheilungsstörung, welche auch hausärztlich gut behandelt werden können. Hierzu zählen die kritische Kolonisation einer Wunde, Ödeme, die Superinfektion oder Nekrosen in der Wunde.

Praktisches Vorgehen bei der kritischen Kolonisation oder Superinfektion

Nachfolgend möchte ich unser eigenes Vorgehen skizzieren, mit dem man eine "normale" chronische Wunde immer verbessert und meist sogar zur Abheilung bringen kann.

Zuvor noch eine Klarstellung: Es gibt keine "sterile" chronische Wunde. Die Menge an Keimen auf der Wunde variiert. Die Menge und Pathogenität der Erreger macht allerdings das Gift. Eine einfache Besiedelung ist normal, kommen weitere Bakterien dazu und werden Kolonien gebildet, ist die "Kolonisation" erreicht. Diese kann in die "kritische Kolonisation" übergehen und diese wiederum in einen handfesten Infekt.

Die Wundheilung ist aber schon ab der kritischen Kolonisation gestört und sie ist mit dem bloßen Auge oft nicht zu erkennen. Daher ist unser erster Schritt in fast jeder Behandlung chronischer Wunden das Beseitigen der Kolonisation. Die Bakterienkolonien umhüllt häufig ein Biofilm, der den Kolonien als Schutzschild dient. Ein einfacher Einsatz von Antiseptika wird also ohne Erfolg bleiben, da das Antiseptikum die Bakterien gar nicht erreichen kann. Wir führen daher zunächst ein mechanisches Debridement durch. Wir "rubbeln" mehrfach mit einer antiseptikagetränkten Kompresse über die Wunde. Das ist einfach und effektiv. Wir nutzen hier aufgrund der schnellen Einwirkzeit das Octenidin.

Nach dem Beseitigen des Biofilms wird eine nasse, mit Antiseptikum getränkte Kompresse auf der Wunde z. B. mit einem Folienverband fixiert. Auch hier verwenden wir der Einfachheit halber das Octenidin. Empfohlen zur Behandlung sind aber auch das Polihexanid oder Natriumhypochlorit/hypochlorige Säuren [3].

Liegt ein Ödem vor (was bei einer chronischen Wunde am Bein fast immer der Fall ist), wird darüber ein Kompressionsverband gewickelt (Kurzzugbinden, KEINE Langzugbinden). Die Entstauung verringert die Wundsekretion und verbessert die Versorgung der Wunde mit Nährstoffen. Nach erfolgter Entstauung wird möglichst schnell auf den Ulcusstrumpf umgestellt. Das ist eine Kombination aus leichterem Unterstrumpf, mit dem man problemlos einen Wundverband fixieren kann, und einem festeren Überstrumpf für die eigentliche Kompression. Diese Behandlung wiederholen wir am Folgetag und ggf. an den Tagen darauf.

Meist reichen aber 2–4 Tage, um eine Infektion oder kritische Kolonisation vollständig zu beseitigen. Dieses einfache Vorgehen resettet die Wunde und bereitet sie auf die weitere Behandlung vor.

Eine "moderne Wundtherapie", also der Einsatz von teuren Verbänden zur Aufrechterhaltung eines optimalen Wundmilieus, macht nur Sinn, wenn keine kritische Besiedelung vorliegt. Ein Schaumverband auf einer kritisch kolonisierten Wunde schafft eher ein für die Bakterien ideales Klima.

Liegt keine Grunderkrankung vor, die behandelt werden muss, so bekommen Sie über o. g. Vorgehen einen überwiegenden Großteil der chronischen Wunden in den Griff. Und auch die Wunden, die aufgrund einer Grunderkrankung entstanden sind, werden wesentlich gebessert.

Praktisches Vorgehen bei Nekrosen

Nekrosen behindern die Wundheilung auf verschiedenen Ebenen. Sie behindern die Beurteilung des Wundgrundes und das Zusammenziehen der Wundränder, sie sind Nährböden für Bakterien und schützen die Bakterien vor Antiseptika. Deshalb müssen sie so radikal wie möglich beseitigt werden. Zur Beseitigung der Nekrosen stehen uns verschiedene Formen des Debridements zur Verfügung. In der Praxis wird fast immer das chirurgische Debridement (bis an das gesunde Gewebe heran) oder das mechanische Debridement durchgeführt. Da man beim chirurgischen Debridement nur totes Gewebe entfernt, kann es ohne Anästhesie erfolgen und auch größere Blutungen werden vermieden. Benötigt werden nur Pinzette, Skalpell und Kompressen.

Praktisches Vorgehen bei Ödemen

Das Ödem ist ein häufiges Problem bei Wundheilungsstörungen. Chronisch, wie bei der CVI, verändert das Ödem die Zusammensetzung der Haut und des Unterhautgewebes und führt letztendlich zu einer Minderversorgung der Haut. Dadurch begünstigt es die Entstehung von Ulcera oder verzögert die Wundheilung. Akut führt das Ödem zu einer vermehrten Wundsekretion und damit zu einer Wundrandmazeration bzw. zu einer Vergrößerung der Wunde.

Die Ödembehandlung ist damit essenziell für die Behandlung von chronischen Wunden. Sie gliedert sich in drei Phasen: die Entstauungsphase, die Erhaltungsphase und die Prävention. In der Entstauungsphase bestellen wir den Patienten alle 2 Tage ein, führen eine maschinelle Lymphdrainage durch und legen einen Kompressionsverband mit Kurzzugbinden an. Alternativ zur maschinellem Lymphdrainage lassen sich manuelle Lymphdrainagen und damit die Entstauung auch rezeptieren. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass nach der Lymphdrainage die für eine Kompression notwendigen Materialien vorhanden sind und ein Kompressionsverband auch wirklich angelegt wird.

Die Entstauungsphase sollte nach spätestens 4 Wochen abgeschlossen sein. Nachdem der Beinumfang ein stabiles Niveau erreicht hat, sollte man vom Kompressionswickel auf den Kompressionsstrumpf wechseln. Möglich ist hier auch der Ulcusstrumpf. In einer Studie mit 1.100 Proband:innen zeigte sich, dass nur knapp 12 % der Teilnehmer:innen korrekt einen Kompressionsverband anwickeln konnten [4]. Allein diese Tatsache erklärt, warum, wann immer möglich, dem Strumpf der Vorzug vor dem Wickel gegeben werden sollte.

Nach der Wundheilung schließt sich die Präventionsphase an. Konnte die Ursache des Ödems, z. B. eine CVI, nicht beseitigt werden, kommen nun medizinische Kompressionsstrümpfe lebenslang zum Einsatz. Das Ödemproblem lässt sich mit einem Satz zusammenfassen. "Kompression ist nicht alles, aber ohne Kompression ist alles andere nichts!"

Alarmsignale

Natürlich ist es schwierig, die einfachen von den komplizierten Wunden zu trennen. Aber folgende Befunde sollten Sie aufhorchen lassen und zu einer dermatologischen Vorstellung führen:

  • Wunden mit lividen Wundrändern und Wunden, welche sich nach Debridement vergrößern. Beides weist auf das Pyoderma gangränosum hin.
  • Disseminierte, punktförmige Wunden. Oft mit zentraler punktförmiger Nekrose. Dies könnte auf eine Vaskulitis hinweisen.
  • Exophytisch wachsende Wunden deuten auf Malignität hin.

Die moderne Wundtherapie

1962 wurde von Georg Winter die erste wissenschaftliche Arbeit über die Vorteile der feuchten Wundbehandlung veröffentlicht. Er wies nach, dass die Wundheilung im feuchten Milieu deutlich besser voranschreitet als im trockenen Milieu. Um dieses feuchte Milieu zu erreichen, gibt es eine unüberschaubar große Auswahl von Produkten. Abhängig vom jeweiligen Produkt wird durch diese Verbände das Wundsekret durch Semiokklusion oder Absorption in bzw. unter der Wundauflage retiniert. Welche Wundauflage wir verwenden, richtet sich nach der Heilungsphase der Wunde, einfach gesprochen nach dem Grad der Exsudation.

Natürlich gibt es Zwischenstufen und spezielle Situationen, aber in der Praxis kommen wir mit 6 verschiedenen Produktklassen aus. Der Hersteller ist (meist) egal.

Produkte:

1. Distanzgitter aus Silikon: Es verhindert das Verkleben der Wunde mit der Kompresse und verhindert so eine Beschädigung des fragilen Heilungsgewebes beim Verbandswechsel (und verringert die Schmerzen). Es kann bis zu 14 Tage auf einer Wunde verbleiben und hat die Salbenkompressen abgelöst.

2. Wundfüller wie Alginat oder Hydrofaser: Sie werden eingesetzt bei tiefen und sezernierenden Wunden. Sie binden Flüssigkeit und Gewebstrümmer, säubern so die Wunde, stellen eine Verbindung zum Wundgrund her und erzeugen ein der Heilung zuträgliches Mikroklima.

3. Folienverbände: Sie werden eingesetzt bei sehr trockenen Wunden oder bei Wunden in der Epithelialisierung.

4. Dünne Schaumverbände: Einsatz bei geringer Sekretion.

5. "Normale" Schaumverbände: Diese werden eingesetzt bei mittlerer und stärkerer Sekretion.

6. Superabsorber: Diese kommen zum Einsatz bei starker Sekretion.

Die Kosten im Blick behalten

Beim richtigen Einsatz sind diese Produkte wirtschaftlich. Werden aber durch Patient:in, Pflegedienst oder Ärzt:in die Verbände zu häufig gewechselt, so entstehen schnell hohe und unnötige Kosten und die Wundheilung wird behindert. Auch muss man bei der Auswahl der Produkte die Kosten beachten, da der Verordner dem Wirtschaftlichkeitsgebot unterliegt. Wir empfehlen, sich aus jeder Produktgruppe eine Wundauflage zu suchen, mit deren Einsatz man gute Erfahrungen gemacht hat und bei der vom Preis keine Regressgefahr droht. Eine Liste der verfügbaren Produkte und deren Preise hat die AOK zusammengestellt. Damit es aber möglichst unübersichtlich ist, gelten für jede Region unterschiedliche Preise. Mit etwas Mühe findet man die für die eigene Region geltende Preisliste auf dieser Internetseite: https://www.aok.de/gp/aerzte-psychotherapeuten/wirtschaftliche-verordnung/aktuelle-arzneimittelinformationen-der-aok-niedersachsen/wundversorgung-informationen-zur-verordnung-von-verbandstoffen

Brauchen wir einen Wundmanager?

Unterstützend bei der Auswahl der Verbandstoffe sind oft "Wundmanager". Es ist aber zu beachten, dass diese oft auf Provisionsbasis arbeiten. Das heißt, dass sie mit Firmen kooperieren, deren Produkte sie empfehlen, und natürlich handelt es sich nicht immer um die günstigsten Produkte. Die alleinige Verordnungshoheit und auch die volle Verantwortung für die Wirtschaftlichkeit der Verordnung verbleibt bei der Ärzt:in.

Zusammenfassung

Die Behandlung von chronischen Wunden ist auf vielen Ebenen komplex und aufwendig, sie wird schlecht vergütet und benötigt ein hohes Maß an Idealismus, um sie professionell zu betreiben. Einige Maßnahmen können helfen, die Versorgungsqualität zu steigern, aber auch den Aufwand in der eigenen Praxis zu optimieren.

Unsere Empfehlung ist: Führen Sie die Basismaßnahmen durch, behandeln Sie die Grunderkrankung, beseitigen Sie Nekrosen, Infekte und Ödeme, scheuen Sie die fachärztliche Vorstellung nicht und halten Sie den Schrank mit den Wundauflagen möglichst klein.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Die häufigsten Ursachen für Wundheilungsstörungen sind eine kritische Besiedlung mit Bakterien, eine Infektion oder Nekrosen.
  • Der erste Schritt in fast jeder Behandlung chronischer Wunden ist das Beseitigen einer bakteriellen Kolonisation.
  • Die Versorgung chronischer Wunden ist zeitaufwendig und wird nur unzureichend vergütet.


Literatur:
1. Heyer K, Herberger K, Protz K, Glaeske G, Augustin M: Epidemiology of chronic wounds in Germany: Analysis of statutory health insurance data. Wound Repair Regen 2016;24:434–442
2. Diener H, Debus E, Herberger K, Heyer K, Augustin M, Tigges W, Karl T, Storck M: Versorgungssituation gefäßmedizinischer Wunden in Deutschland. Gefäßchirurgie2017; 22:548–557
3. Dissemond J, Bültemann A, Gerber V, Motzkus M, Rembe JD, Erfurt-Berge C. Update der Standards der ICW e.V. für die Diagnostik und Therapie chronischer Wunden. WUNDmanagement 2022;16(5):274–280
4. Heyer K, Protz K, Augustin M: Compression therapy-cross-sectional observational survey about knowledge and practical treatment of specialised and non-specialised nurses and therapists. Int Wound J 2017;14(6):1148–1153


Autor

© Th. Hieronymi
Dr. med. Heiko Balkenhol

Facharzt für Chirurgie und Viszeralchirurgie
59597 Erwitte
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (8) Seite 26-30