Die terminale Sedierung kann weder mit aktiver Sterbehilfe noch mit der ärztlichen Beihilfe zum Suizid gleichgesetzt werden. Werden alle Aspekte durch das Behandlungsteam beachtet und kann eine Patientenverfügung und/oder der mutmaßliche Wille der zu sedierenden Person dargelegt werden, ergibt sich nicht der kleinste Anlass, über strafrechtliche Konsequenzen nachdenken zu müssen.

Mit dem Thema "palliative Sedierung" sollte sensibel umgegangen werden, damit in der Öffentlichkeit und in der Justiz keine falschen Schlüsse gezogen werden. Eine Untersuchung von Murray u. a. im British Medical Journal [9] zeigt, dass zwischen 2001 und 2005 die Zahl der im Rahmen einer terminalen Sedierung in den Niederlanden Verstorbenen zu- und die an Tötung auf Verlangen Verstorbenen abnahm. Dies legt nahe, dass die terminale Sedierung zunehmend als Alternative zur Sterbehilfe angesehen wird. Tatsächlich sei, so die Untersucher, bei jedem zehnten terminal sedierten Patient:innen vorher der Wunsch nach aktiver oder passiver Sterbehilfe abgelehnt worden. Einem Missbrauch der palliativen Sedierung außerhalb der Indikationen durch die S3-Leitlinie ist durch die Behandler in jedem Falle entgegenzuwirken.

Definition

Die European Association of Palliative Care (EAPC) definiert: "Die therapeutische oder palliative Sedierung wird im palliativmedizinischen Kontext verstanden als der überwachte Einsatz von Medikamenten mit dem Ziel einer verminderten oder aufgehobenen Bewusstseinslage, um die Symptomlast in anderweitig therapierefraktären Situationen in einer für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter ethisch akzeptablen Weise zu reduzieren" [1].

Indikationen und Ziel

Als Indikationen in der Sterbephase werden häufig folgende (therapierefraktäre) Symptome genannt:

  • agitierte Verwirrtheit, Atemnot, Schmerz,epileptische Anfälle
  • massive Blutungen,Asphyxie

sowie nichtphysische Symptome wie refraktäre depressive Zustände, Angst oder auch existentielles Leid [2]. Für diese nichtphysischen Symptome als Indikation für eine palliative Sedierung gibt es allerdings keinen übergreifenden fachlichen Konsens [2]. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass eine 2021 veröffentlichte prospektive beobachtende Querschnittsstudie, welche Versorgungen in Hospizen, auf Palliativstationen und in der SAPV beleuchtet hat, zur Indikationsstellung anderweitige Ergebnisse wie die bisherige Fachliteratur liefert [4]. Die am häufigsten im Rahmen der palliativen Sedierung beschriebene Indikation war Unruhe, gefolgt von Angst, Delir und fehlender Lebensqualität. Oft war es der Wunsch der Patient:innen und der Angehörigen, eine palliative Sedierung zu starten [4].

In der Regel erfolgt eine palliative Sedierung geplant nach multiprofessioneller Indikation und ausführlicher Beratung der Patient:innen. In diese Beratungen sollten unbedingt die primär versorgenden Haus- und Fachärzt:innen miteinbezogen werden, da diese die Patient:innen und ihr soziales Umfeld oft bereits viele Jahre kennen und damit nochmals eine objektivere Betrachtungsform in die Beratung mit einfließen lassen können. Für akute Notfallsituationen (z.B. fulminante Blutungen oder Erstickung) sollte die Möglichkeit einer palliativen Sedierung frühzeitig mit den Patient:innen und Angehörigen besprochen werden. Das besprochene Vorgehen muss unbedingt gut im jeweiligen Dokumentationssystem, für jeden Versorgenden ersichtlich, dokumentiert und mit allen Mitgliedern des primären und spezialisierten Behandlungsteams kommuniziert werden, um den Patient:innen eine rasche und sichere Notfallversorgung zusichern zu können.

Das Ziel einer palliativen Sedierung ist es, die Bewusstseinslage der Patient:innen so weit zu reduzieren, dass eine refraktäre Symptomatik nicht mehr oder weniger bewusst erlebt wird und für den Patient:innen als erträglich angesehen wird. Vor Einleitung einer palliativen Sedierung muss immer mit den Patient:innen ausführlich über die gewünschte Sedierungstiefe beraten werden. Für viele Patient:innen ist die Interaktionsfähigkeit gerade auch am Lebensende von großer Bedeutung, sodass der Grad der Einschränkung der Interaktionsfähigkeit gut gegen den Grad der Sedierungstiefe abgewogen werden sollte [1, 3]. Grundsätzlich sollte die Sedierungstiefe, außer in akuten Krisen- oder Belastungssituationen, so niedrig wie möglich gehalten werden. Insbesondere in der Sterbephase sollte in der Regel mit einer milden, intermittierenden Sedierung begonnen werden [1, 3]. Häufig kann so bereits eine als ausreichend empfundene Symptomkontrolle erreicht werden und dennoch eine gewisse Interaktionsfähigkeit erhalten bleiben. Bei nicht ausreichend effektiver Sedierung kann dann in Absprache mit den Patient:innen eine Vertiefung der Sedierung erfolgen.

In besonderen Situationen kann eine tiefe Sedierung im Voraus für außergewöhnliche Notfallsituationen geplant werden oder wenn das Leiden der Patient:innen besonders ausgeprägt ist, das Leiden eindeutig absolut refraktär ist, wenn von einem Versterben der Patient:innen innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen ausgegangen werden muss oder wenn die Patient:innen dies explizit wünschen [1, 3]. Zu erwähnen ist, dass auch die seltene Möglichkeit einer kurzfristigen und fraktionierten Sedierung aufgrund von stärksten Schmerzen, die durch Interaktionen an Patient:innen ausgelöst werden, erforderlich sein kann. Hier handelt es sich z.B. um Wundversorgungen bei exulzerierenden Tumoren, bei notwendigen Umlagerungen der Patient:innen oder weiteren notwendigen pflegerischen Aktionen.

Folgende palliative Sedierungsarten sind üblich:

  • leichte oder milde PS (palliative Sedierung): Die Kommunikationsfähigkeit bleibt erhalten.
  • tiefe PS: Das Bewusstsein wird so stark vermindert, dass verbales Kommunizieren nicht mehr möglich ist.
  • intermittierende PS (respite sedation): Das Bewusstsein für einen vordefinierten Zeitraum wird aufgehoben. Dies soll dem Patient:innen Ruhepausen und Erholung von refraktärem Leiden verschaffen oder Erleichterung bis zum Wirksamwerden einer Therapie geben. Nach Ablauf der bestimmten Zeit wird gemeinsam mit dem wieder erwachten Patient:innen das weitere Vorgehen vereinbart.
  • kontinuierliche PS: Sie wird für einen unbestimmten Zeitraum und ohne Unterbrechung verabreicht. Die Tiefe der Sedierung wird so gewählt, dass das Zielsymptom ausreichend gelindert ist.
  • kontinuierliche, tiefe PS (Continuous Sedation until Death) wird in der letzten Lebensphase bei therapierefraktärem, unerträglichem Leiden bis zum Versterben des Patient:innen eingesetzt. In der Regel handelt es sich um Notfallsituationen (z.B. akutes Ersticken, Blutungen), die meist zeitnah zum Tod führen.

Problematiken im ambulanten Kontext

In der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV), in der auch regelmäßig Patient:innen einer palliativen Sedierung bedürfen, liegen natürlich unter ambulanten Bedingungen ganz andere Voraussetzungen und Bedingungen vor gegenüber den stationären bzw. klinischen Bedingungen. Eine kontinuierliche Kontrolle und Überwachung durch Fachkräfte ist hier nicht möglich. Die 24-stündige Überwachung durch Palliativfachpflegekräfte und/oder Palliativmediziner:innen ist in der Kostenerstattung der Krankenversicherungen nicht vorgesehen. Daher ist eine palliative Sedierung in der Häuslichkeit nur möglich, wenn ein stabiles soziales Netzwerk zur Verfügung steht, das unterstützen kann. Dieses Netzwerk muss adäquat in alle Belange der palliativen Sedierung instruiert werden und auch eindeutig die Bereitschaft zur Mithilfe zeigen. Patient:innen, die in ihrer häuslichen Umgebung palliativ sediert werden, sollten durch die Fachkräfte des Palliative Care Teams mindestens zwei- bis dreimal täglich persönlich besucht und gesehen werden. Hier sollte dann, wie im stationären Bereich, eine Überwachung und gute Dokumentation der Sedierungstiefe und Symptomatik (Tabelle 1) erfolgen sowie eine Einschätzung der Stabilität und weiterer Belastungsfähigkeit des sozialen Umfeldes [5]. Des Weiteren müssen engmaschige Gespräche mit den Patient:innen, Angehörigen und allen weiteren Behandlern erfolgen. Dabei werden Themen und Fragestellungen zur künstlichen Ernährung, Flüssigkeitssubstitution und zumAbsetzen bisheriger Medikationen sowie die Weiterführung der Analgesierung, unter palliativer Sedierung dann meist parenteral, besprochen.

Eine engmaschige und kompetente multiprofessionelle Begleitung der Angehörigen durch regelmäßige Information über die klinische Situation, die fehlenden Behandlungsalternativen sowie Vorteile, Risiken und Grenzen der palliativen Sedierung ist von oberster Bedeutung. Die Angehörigen sollten regelmäßig bestärkt werden, dass die palliative Sedierung ein gemeinsam getragenes Konzept ist und dem Patientenwunsch entspricht. Ihre eigene Belastung muss unter allen Umständen berücksichtigt werden und ihnen ggf. psychologische Unterstützung angeboten werden [1, 6]. Bei einer andauernden längeren Sedierungsphase sollte auch besprochen werden, inwieweit weitere pflegerische Interaktionen durchgeführt oder eingestellt werden. Besonders in finalen Situationen sollte eine Reduzierung der pflegerischen Maßnahmen erfolgen. Notwendige Maßnahmen wie die Lagerung zur Vermeidung von Komplikationen wie Dekubiti sollten minimalistisch z.B. durch Mikrolagerungen (leichte Schräglage der Matratze durch unterliegende Decke) erfolgen. Eine exzellente Mundpflege muss regelmäßig bis zum Versterben des Patient:innen durchgeführt werden, um die Austrocknung des Mundes, Soor und weitere Komplikationen zu vermeiden und das Wohlbefinden des Patient:innen durch eine gute und gesunde Mundflora, auch während der Sedierungsphase, zu erhalten. Ebenfalls ist eine Inkontinenzversorgung, auch im Rahmen der Sedierung, unerlässlich.

Bei Erreichen der gewünschten Sedierungstiefe (vgl. Tabelle 1) sollte bei milder Sedierung mit dem Patient:Innen bzw. seinem/ihrem gesetzlichen Vertreter:innen geklärt werden, ob damit auch eine akzeptable Situation hinsichtlich der Symptomatik erreicht ist. Wenn nicht, muss gemeinsam eine Erhöhung der Sedierungstiefe erwogen werden.

Rechtliche Situation

Eine palliative Sedierung kann nach deutscher Rechtslage im Kontext der "indirekten Sterbehilfe" durchgeführt werden. Diese ist definiert "als Gabe von symptomlindernden Medikamenten unter Inkaufnahme einer Lebensverkürzung". Auch hieraus ergibt sich, dass das Vorliegen anderweitig nicht akzeptabel behandelbarer Symptome entscheidend ist für die rechtliche Grundlage. Zur Absicherung des Behandlungsteams sollte immer eine gültige und der Situation angepasste Patientenverfügung (§ 1901a Absatz 1 Satz 1 BGB) vorliegen bzw. eine Willenserklärung der Patient:in oder des Vorsorgebevollmächtigten.

Bisher durchgeführte Studien zeigen, dass bei fachkompetenter Durchführung das Lebenszeit-verkürzende Risiko eher gering ist [7, 8]. Diese Studien zeigen aber auch, wie wichtig die Durchführung einer palliativen Sedierung durch erfahrene Behandler mit kompetenter Dosisfindung und mit einem auf Erfahrung beruhenden Monitoring ist.

Fazit

Die palliative Sedierung hat sich zu einem beständigen und gut anzuwendenden Behandlungskonzept in der stationären und ambulanten Palliativversorgung etabliert. Dabei sollte sie nach wie vor die Ultima Ratio sein. Alle anderen Behandlungsmöglichkeiten sind vorher auf einen möglichen Einsatz hin zu prüfen. Wird dennoch die Entscheidung zur palliativen Sedierung durch das multiprofessionelle Behandlungsteam und die versorgenden Haus- und Fachärzt:innen gefällt, kann sie für Patient:innen und Angehörige eine sehr gute und oftmals erleichternde Behandlung nach einer langen Leidenszeit sein. Bei sachgerechter und kompetenter Ausführung ist das Behandlungsteam auch immer auf der rechtlich sicheren Seite und hat keinerlei Problematiken zu befürchten.

Betonen möchte ich aber nochmals, dass bei dieser Entscheidungsfindung immer das gesamte ambulante multiprofessionelle Behandlungsteam aus allen an der Versorgung beteiligten Akteuren einbezogen werden sollte. Nur dies kann die bestmögliche Durchführung und größtmögliche Sicherheit und Benefit für Patient:innen und Angehörige gewährleisten.

Des Weiteren zeigen die einschlägige Erfahrung und die vorhandene Fachlektüre, dass es unabdingbar ist, dass die palliative Sedierung ausschließlich durch erfahrene ärztliche und pflegerische Akteure von Beginn bis zum Ende durchgeführt werden sollte. Die palliative Sedierung zeigt deutlich, dass ein Zusammenarbeiten zwischen den Hausärzt:innen, Fachärzt:innen und dem Palliative Care Team in der Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen unabdingbar ist und eine gute Kommunikationsstruktur der verschiedenen Versorger von Beginn einer verordneten SAPV an von äußerster Wichtigkeit ist, besonders für Patient:innen und Angehörige. Durch ein gutes und respektvolles Miteinander zwischen den Versorgern wird die Versorgungsqualität eine deutliche Verbesserung erzielen können.

Wichtig für die Sprechstunde
  • Über eine palliative Sedierung ist immer gemeinsam mit Patient:innen, Angehörigen und Behandlern zu entscheiden.
  • Die palliative Sedierung sollte die Ultima Ratio sein.
  • Sachgerecht angewendet kann sie eine erleichternde Maßnahme für Patiente:innen und Angehörige sein.


Literatur:
1. Cherny NI, Radbruch L, European Association for Palliative Care. European Association for Palliative Care (EAPC) recommended framework for the use of sedation in palliative care. Palliat Med 2009; 23: 581–593.
2. S3-Leitlinie Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung [174, 175]. / 2022
3. Alt-Epping B, Sitte T, Nauck F, Radbruch L. Sedation in palliative medicine: guidelines for the use of sedation in palliative care: European Association for Palliative Care (EAPC). Schmerz 2010; 24:342–354.
4. Glöckner, Franziska/ Dissertation - Palliative Sedierung - Eine prospektive beobachtende Querschnittsstudie zum Vergleich zwischen einer Palliativstation, einem Hospiz und einem ambulanten Pflegedienst/ https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:9-opus-63404 / 2021 /Stand April 2023
5. Palliativpflegestandard 3b "Palliative Sedierung in der Häuslichkeit", 2008, aktualisiert 2022 Goldbach, Rynas, Wommelsdorf, Goldbach- PalliativPflegeTeam Hamburg/ PalliativPartner Hamburg
6. Oechsle K, Radbruch L, Wolf C, Ostgathe C. SOP – Palliative Sedierung. Der Onkologe 2017; 23: 469–475
7. Mercadante S, Porzio G, Valle A, Aielli F, Casuccio A; Home Care-Italy Group. Palliative sedation in patients with advanced cancer followed at home: a prospective study. J Pain Symptom Manage 2014; 47: 860-6.
8. Beller EM, van Driel ML, McGregor L, Truong S, Mitchell G. Palliative pharmacological sedation for terminally ill adults. Cochrane Database Syst Rev 2015; 1: CD010206.
9. S. A. Murray, K. Boyd, I. Byock: Continuous deep sedation in patients nearing death. In: BMJ. 2008. doi:10.1136/bmj.39504.531505.25.


Autor

© privat
Sven Goldbach

Palliativfachpflegekraft
Goldbach PalliativPflegeTeam GmbH & Co.KG
22767 Hamburg
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert

Erschienen in: doctors|today, 2023; 3 (8) Seite 10-13